Seltsame ‚Einsichten‘ in Bad Reichenhall

In der Rückschau wird manches deutlicher, denn es zeigt sich häufig, welche Wege und Entscheidungen die besseren waren. Das gilt auch für Argumente, im Abwägen ‚eines Dafür oder Dagegen‘. Blickt man etwa auf das Jahr 2013 zurück, so hat in Bad Reichenhall ein Bürgerentscheid bis heute seine Auswirkungen, der allerdings mangels Masse niemals zustande kam. Manche Politiker klammern sich aber daran wie an dem sprichwörtlichen Strohhalm. Aus heutiger Sicht sind viele ‚Einsichten‚ daraus sehr bemerkenswert.

Eine Entlastung der Innenstadt von Bad Reichenhall vom Verkehr

So argumentiert etwa Oberbürgermeister (OB) Dr. Herbert Lackner bzw. die Stadt mit dem damals (in den 60er-Jahren) nötigen Bau einer Umfahrung für Bad Reichenhall, um das Stadtzentrum zu entlasten. Dies habe dann zu einer Verlagerung des Verkehrs an den Rand der Kernstadt geführt. Er räumt weiter ein, dass die Anwohner dadurch nachhaltig von Verkehr und Abgasen beeinträchtigt werden. Dabei blendet der OB völlig aus, dass sich der Verkehr heute – durch eine Überlastung der B20/ B21 – wieder nachhaltig in die Innenstadt verdichtet. Untermauert wird dies aktuell im jüngsten Mobilitäts-Gutachten des Landkreis Berchtesgadener Land. Es geht mit dem Bau von Kirchholz- und Stadtbergtunnel von einer bis zu 50 Prozent vom Verkehr entlastet Innenstadt aus. Ähnlich stellt sich die Sachlage im Planfeststellungsverfahren von 2011 dar, im Gutachten von Prof. Dr. Kurzak.

Die SPD unterstellt gar, dass „der Kirchholztunnel so und so nicht kommt. Eher geht weltweit der Sprit zu Ende, bevor der Verkehrsetat die Baukosten von 200 Millionen Euro hergibt.“ Heute wissen wir es besser. Im Dezember 2016 wurde die Ortsumfahrung von Bad Reichenhall mit dem Kirchholztunnel und Stadtbergtunnel endgültig in den Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes – mit Finanzierungszusage – aufgenommen.

Wählt der Transitverkehr eine längere Strecke?

Weiter unterstellen die Genossen, dass sich nach den Berechnungen der Straßenbauer keine Entlastungen auf der Umgehungsstraße ergäben. Was hier so beiläufig als ‚Straßenbauer‘ abgewertet wird, sind das Staatliche Bauamt Traunstein und Prof. Dr. Kurzak. Angeblich würde die heutige Umgehungsstraße dann als (zweite) Transitstrecke erhalten bleiben. Man stelle sich also vor, es gibt eine schnellere, weil kürzere Ortsumfahrung mit zulässigen 80 km/h, und dennoch wählt der Transitverkehr die längere, auf 60 km/h begrenzte Umfahrung. Bei der SPD ticken die Uhren eben ganz anders. Sie verschweigen auch die Entlastung der heutigen Strecke von täglich bis zu 3500 LKW, von der Entlastung der Innenstadt, des Leopoldstals und Karlsteins ganz zu schweigen.

Es besteht keine Gefährdung der Solequellen

Und natürlich vergisst die SPD auch nicht auf eine angebliche Gefährdung der Solequellen hinzuweisen. Der zuständige Gutachter Dr. Kellerbauer und das Staatliche Bauamt Traunstein stellen fest, dass keinerlei Gefährdung der für Bad Reichenhall wichtigen Solequellen besteht, wie im Schreiben vom März 2013 zu lesen ist:

„Um für diesen unwahrscheinlichen, aber trotzdem denkbaren Fall Vorsorge zu treffen, wurde die REI 8 ebenfalls als Heilquelle zugelassen. Das gemeinsame Solevorkommen beider Bohrungen in großer Tiefe wird (durch den Bau des Kirchholztunnels) in keinem Fall beeinträchtigt. Die oberflächennahen Soleaustritte im Quellenbau, umgangssprachlich die „Solequellen“, entstehen durch Vermischung von oberflächennahem Grundwasser mit einer geringen Menge natürlich aufsteigender Sole. Sie werden vor allem aus hygienischen Gründen seit Jahrzehnten nicht mehr zu Kurzwecken genutzt.“

Mit Ängsten und Gerüchten Stimmung machen

Es ist den Genossen aber nicht genug, Ängste zu schüren und Gerüchte in den Umlauf zu setzen, nein, sie zeichnen ein weitere Gespenst an eine imaginäre Tunnelbrücke und behaupten: „Die Bad Reichenhaller Altstadt wird mit neuem Lärm und zusätzlichen Abgasen belastet“. Auch hier wird einfach unterschlagen, wie belastend die Situation heute durch den Verkehr auf der B20 und B21 bei Kirchberg ist. Der entfällt weitgehend und wird einige hundert Meter hinter und oberhalb des neuen Einkaufszentrums münden. Damit wird auch die Altstadt nachträglich von Lärm und Abgasen befreit. Oder aber starke Fallwinde vom Dötzenkopf aus kommend, leiten Abgase und Lärm nach unten in das Tal, direkt in die Reichenhaller Altstadt. Diese Vorstellung ist lächerlich.

Wir werden uns in einem zweiten Beitrag mit diesem Thema beschäftigen. Grundlage des Artikels ist das Bad Reichenhaller Rathausmagazin „Wir“ vom März 2013. Den Link zum Magazin finden Sie hier – Magazin Wir

48 Jahre mit Gesundheit und Lebensqualität bezahlt

Bei aller Auseinandersetzung bleibt eine traurige Tatsache bestehen. Das Schüren von Ängsten und die nicht korrekte Darstellung von offiziellen Studien haben die Bevölkerung verunsichert und bis 2019 – also sechs lange Jahre – ist wieder nichts passiert, um zu einer schnellen Realisierung der inzwischen längst genehmigten Ortsumfahrung Kirchholztunnel und Stadtbergtunnel zu kommen.

Seit 48 Jahren warten Bürger und Gäste auf das längst überfällige Projekt und bezahlen einen hohen Preis mit ihrer Gesundheit durch den täglichen Lärm und der Abgase von täglich bis zu 40.000 Fahrzeugen in der Kurstadt Bad Reichenhall, einem Staatsbad gegen Erkrankung der Atemwege. Es ist ein Skandal ohnegleichen. Der Oberbürgermeister Dr. Herbert Lackner scheint hingegen alle Zeit der Welt zu haben. Erst einmal sollen so genannte Alternativen untersucht werden, nachdem der Kirchholz- und Stadtbergtunnel ein sich über Jahrzehnte hinziehenden Genehmigungsprozess hinter sich hat.

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