Ortsumfahrung Bad Reichenhall
– Im Interview mit dem Staatlichen Bauamt Traunstein –
Redaktion/ gsp: Der Stadtrat von Bad Reichenhall hat entschieden, das Staatliche Bauamt um eine Fortführung der Planung für die Ortsumfahrung Bad Reichenhall zu bitten. Was ist seither geschehen?
Christian Rehm: Zunächst einmal muss ich voraus schicken, dass das Staatliche Bauamt Traunstein angesichts der Vielzahl an vordringlichen Projekten nicht alle Vorhaben zeitgleich planen kann. Bei einem Großprojekt wie der Ortsumfahrung Bad Reichenhall müssen daher zunächst die personellen und finanziellen Voraussetzungen geschaffen werden, um erneut in den Planungsprozess einsteigen zu können. Was das Personal betrifft, so hoffen wir, dass wir in den nächsten Monaten die kürzlich zusätzlich zugewiesenen Stellen besetzen können. In welchem Umfang in den nächsten Jahren Planungsmittel zur Verfügung stehen, bleibt abzuwarten. Dennoch sind wir bereits mit der Ortsumfahrung Bad Reichenhall befasst. So wurde die Aktualisierung des Verkehrsgutachtens im Sommer beauftragt.
Bernadette Wallner: Wir brauchen aktuelle Zahlen. Hierzu erfolgte erst vor wenigen Wochen im Raum Bad Reichenhall eine neue umfassende Verkehrserhebung mit Knotenpunkt-Zählungen und Kennzeichenerfassung. Ziel des neuen Verkehrsgutachtens ist es, die tatsächlichen Verkehrsbeziehungen zu ermitteln und darauf aufbauend die Umfahrung und die Knotenpunkte richtig zu dimensionieren.
Redaktion/ gsp: Das ist doch bereits mehrfach untersucht worden. Vor einem Jahr präsentierte der Landkreis erst ein Mobilitätskonzept.
Christian Rehm: Das von Ihnen angesprochene Verkehrsgutachten im Zuge des Mobilitätskonzeptes ist nicht auf ein Einzelprojekt ausgerichtet und beinhaltet keine differenzierte Betrachtung der einzelnen Verkehrsströme. Es ist insofern für unsere Zwecke nicht brauchbar. Wir brauchen belastbares und aktuelles Zahlenmaterial aus dem wir ableiten können, ob ein ein- oder zweiröhriger Tunnel erforderlich ist und ob Verkehrsbeziehungen an den Knotenpunkten entbehrlich sind. Wie schon beim Vergleich der Varianten im März angesprochen, gehen wir mittlerweile von einem Investitionsvolumen von 250 Millionen Euro aus. Falls wir eine zweite Röhre brauchen, dann wird das voraussichtlich nicht ausreichen.
Bernadette Wallner: Ab einer Prognose von 20.000 Fahrbewegungen ist eine zweite Röhre zu prüfen, auch wenn es einen Toleranzbereich gibt.

Redaktion/ gsp: Sprechen Sie von einer Neubewertung des Projektes?
Christian Rehm: Wenn wir eine zweite Röhre brauchen, dann gehe ich davon aus, dass die Bauwürdigkeit des Projekts neu überprüft wird. Angesichts der geänderten Planung und der höheren Kosten brauchen wir die Zustimmung des BMVI (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur). Es geht um eine Gesamt-Wirtschaftlichkeits-Betrachtung des geänderten Projektes. Aber auch so können wir die Planungen aus 2011 nicht einfach übernehmen. Die gesetzlichen Grundlagen haben sich in den zurückliegenden Jahren wesentlich geändert.
Bernadette Wallner: Eine wesentliche Rolle spielen hierbei die Entwicklungen im europäischen Naturschutzrecht aber auch beispielsweise die neue Wasserrahmenrichtlinie und das Thema Flächenbedarf.
Redaktion/ gsp: Das klingt nach viel Zeit und Geld. Wann wissen Sie Näheres?
Christian Rehm: Bis Frühjahr 2020 liegt voraussichtlich die Auswertung der aktuellen Verkehrserhebung und damit belastbare Zahlen vor. Dann wissen wir zumindest schon, ob wir eine zweite Röhre brauchen oder nicht. Auf alle Fälle sind noch mehrere Gutachten nötig um auf ausreichende Planungsgrundlagen zurückgreifen zu können wie ergänzende Untersuchungen im Bereich der Geologie.
Bernadette Wallner: Es stellt sich zudem die Frage, welche Planungsmittel wir 2020 und 2021 abrufen können.
Redaktion/gsp: Ist die Planfeststellung nicht abgeschlossen?
Christian Rehm: Die Planung muss von Grund auf neu aufgerollt werden. Das bedeutet, dass wir auf der Basis der aktualisierten Gutachten die technische Planung neu entwickeln. Dabei stehen neben der Frage einer zweiten Röhre insbesondere der künftige Achsverlauf, der Höhenverlauf und die Ausgestaltung der Knotenpunkte auf dem Prüfstand. Erst wenn das BMVI seine Zustimmung zu der neu erstellten Vorentwurfsplanung erteilt hat, kann ein neues Planfeststellungsverfahren vorbereitet und beantragt werden. Für die hierfür erforderlichen Planungsleistungen müssen mehrere Ausschreibungen nach europäischem Vergaberecht durchgeführt werden. Der Umfang der Leistungen und die Höhe des Honorars lassen uns da keine andere Wahl.
Bernadette Wallner: Vorbehaltlich ausreichender Planungsmittel beabsichtigen wir, 2020 die technischen Planungen auszuschreiben und möglichst 2021 zu vergeben. Und dann sind weitere Gutachten zu erstellen.
Redaktion/ gsp: Also alles zurück zum Anfang. Die alten Planungen sind nutzlos?
Christian Rehm: Das könnte man so sagen. Wir werden zwar sicher einige Teile der bisherigen Planunterlagen und Gutachten wieder verwenden können. Grundsätzlich starten wir aber wieder am Anfang der Vorentwurfsplanung. Es wird jedenfalls mehrere Jahre dauern, bis wir wieder in das Planfeststellungsverfahren einsteigen können. Bis zu einem möglichen Baurecht werden voraussichtlich mindestens 10 Jahre vergehen.
Bernadette Wallner: Wenn wir das schaffen, ist immer noch mit Klagen von betroffenen Anwohnern zu rechnen. Pro Instanz kann es dann schon noch mal zwei Jahre dauern.
Redaktion/ gsp: Bei zwei Instanzen schreiben wir dann also das Jahr 2033? Und dann nochmal vier bis fünf Jahre Bauzeit, also 2037 bis Bad Reichenhall endlich eine leistungsfähige Ortsumfahrung hat?
Christian Rehm: Das liegt im Bereich des Möglichen, auch wenn wir soweit voraus heute keine belastbare Prognose stellen können. Es sind viele Einzelschritte und es gibt für Projekte dieser Größenordnung keine einfachen Lösungen.
Bernadette Wallner:
Ohne Klagen könnten wir wohl vom Jahr 2030 sprechen. Aber auch das wäre eine lange Zeit.
Redaktion/ gsp: Viele bringen den Kirchholztunnel mit einem Vollanschluss der Autobahn am Grenzübergang Walserberg in Verbindung. Hängt das zusammen?
Christian Rehm:
Nein, die Projekte sind völlig getrennt. Für die Autobahn und damit auch für die Anschlussstelle ist die Autobahndirektion Südbayern zuständig. Ein Vorentwurf für den 6-streifigen Ausbau der A 8 im Grenzabschnitt Jechling – Bundesgrenze und in diesem Zusammenhang auch für den angesprochenen Vollanschluss am Walserberg – wurde Ende letzten Jahres vom BMVI genehmigt. Grundsätzlich wäre es möglich, den Anschluss herausgelöst von der Streckenplanung vorgezogen zu planen und zu bauen. Er könnte somit vor dem sechsspurigen Ausbau realisiert werden und würde für die hoch belastete B 20 bei Piding eine echte Entlastung bedeuten.
Redaktion/ gsp: Auch die Erneuerung der Saalachbrücke zwischen Piding und Bad Reichenhall ist bereits länger im Gespräch. Wie ist der Stand?
Christian Rehm: Die Brücke muss dringend erneuert werden. Wir stehen am Anfang des Planungsprozesses. Derzeit werden die Planungsleistungen europaweit ausgeschrieben und voraussichtlich Anfang 2020 vergeben. Auch für dieses Projekt wird nach Abschluss der technischen Planung ein aufwändiges Planfeststellungsverfahren erforderlich werden. Der Realisierungs-Zeitpunkt ist daher noch völlig offen.
Gerd Spranger: Vielen Dank für das Gespräch.